Geschichten aus der Kreisverwaltung
Die einzelnen Gemeinden oder Kirchspiele waren früher zu Kreisen, auch Harden genannt, zusammengefasst. Hjortlund gehörte zum Kreis Gørding. Wenn es Streitigkeiten gab, ging man auf das Kreisbüro zum Kreisvogt. Der Respekt vor der behördlichen Autorität war jedoch nicht immer besonders groß, wie die folgenden Geschichten zeigen.
Früher war die Kreisverwaltung in Hjortlund. Foto: Torben Meyer.
Gemeindevogt und Kreisvogt
Früher war der Gemeindevogt der einzige Vertreter der Polizeigewalt im Ort. Sein Vorgesetzter war der Kreisvogt, ein vom König ernannter Beamter. Wenn der Gemeindevogt die örtlichen Streitigkeiten nicht lösen konnte, schaltete man den Kreisvogt ein, der oft für mehrere Kreise zuständig war.
Die Gemeinden an der Kongeå gehörten zum Kreisvogt von Gørding-Malt. Von 1737 bis 1800 war er auch für den Kreis Skads zuständig. Bis 1811 lagen das Büro des Kreisvogts und das Thinghaus auf dem Gut Endrupholm nördlich von Bramming. Von 1811 bis 1814 befand es sich bei der Dorfeiche von Jernvedlund, danach in Hulvad im Kreis Malt. 1838 zog es ins Wirtshaus von Vejrup um, bis man in Holsted ein neues Thinghaus baute.
Durch die Pille gesehen
Einmal hatte ein Postbote namens Bossen einen Betrag mit dem Namen eines anderen Mannes quittiert. Am nächsten Sonntag war Bossen in der Kirche, wo Pastor Knudsen predigte. In der Predigt ging es darum, dass wenn man sich selbst vertrauen kann, auch andere einem vertrauen. Diese Worte machten auf Bossen einen großen Eindruck. Als er aus der Kirche kam, zeigte er sich selbst an.
Er wurde natürlich sofort entlassen und der Mann, mit dessen Namen er unterschrieben hatte, wurde ins Büro des Kreisvogts vorgeladen. Jørgen Frandsen Simonsen, so hieß er, bestätigte, dass die Anzeige zutraf. Man legte ihm ein Stück Papier vor, auf das er seinen Namen schreiben sollte.
Als er das erledigt hatte, schob er es über den Tisch zum Kreisvogt und sagte: „Hier können Sie sehen, dass ich nicht unterschrieben habe, wenn Sie Ihre Pille benutzen.“
„Pille? Pille?“, fragte der Kreisvogt, „Wie meinen Sie das?“
„Naja, die setzt man doch auf, um deutlicher zu sehen, denke ich“, erwiderte Simonsen und verließ das Büro.
Wer wartet auf wen
Eines Tages sollte der Gemeindevogt von Hjortlund, Peder Bertelsen, zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Kreisvogt kommen. Er hatte sich etwas verspätet. Als er das Büro betrat, fragte ihn der Kreisvogt gleich: „Wer muss warten, Sie oder ich?“
Worauf Peder Bertelsen antwortete: „Mir hat man immer gesagt, dass der warten muss, der zuerst kommt.“
Als man in Büros noch rauchen durfte
Eine andere Geschichte spielte sich im selben Kreisbüro ab. Diesmal war ein Gastwirt aus Ribe vorgeladen. Er war ein eifriger Pfeifenraucher und kam sehr früh. Daher war das Wartezimmer voller Qualm, als der Kreisvogt die Tür öffnete. Angesichts des Gestanks rief er sofort: „Was ist denn das für ein Kraut, das Sie rauchen?“
Darauf der Gastwirt: „Verträgt die feine Nase des Herrn etwa nicht die Produkte unseres Landes?“
Es waren nämlich Kirschblätter.
Der neue Schreiber
Im Kreisbüro hatte man einmal einen neuen Schreiber eingestellt, der sich für unersetzlich hielt. Bei einer Befragung zu einer eigentlich belanglosen Sache fragte er einen Mann aus Hjortlund nach dessen Namen.
Der Mann antwortete: „Jørgen Poulsen, aber andere sagen Jørgen Snedker.“ (Snedker = Tischler).
Der Schreiber wurde gleich ärgerlich über die Antwort und fragt: „Was schreiben wir denn nun, Jørgen Poulsen oder Jørgen Snedker oder was?“
Da sagte Jørgen Poulsen: „Man kann auch Jørgen Gryde [Gryde = Topf] schreiben, solange man mich nicht auf's Feuer setzt.“
Autor: Truels Truelsen, Hjortlund Sognearkiv
Quellen und Literatur:
Hjortlund Sognearkiv, auf www.hjortlundsognearkiv.dk
Hans Knudsen: Strid om Valg af Tingsteder for Gørding-Malt og Tyrsting-Vrads Herreder, in: Historie/Jyske Samlinger, Band 4, Reihe 4, 1924